Dave Eggers | Ein Hologramm für den König (Kiepenheuer & Witsch)

Als «literarischer Messerwurf ins Herz unserer Zeit» angekündigt, ist der neuste Roman des Amerikaners eine pessimistische, aber leider auch realistische Wahrheit nicht der Kostenexplosion, sondern der Kostenimplosion: Die Verschiebung von Produktionsstätten, das Verkaufen der Firmen von eigenen USP’s über Lizenzen, die am Ende den Konkurrenten aus China zum Gewinner machen und zum Konkurs der einst so starken Mutterfirmen führen. Eine Bankrotterklärung  ist es auch an die vielen Strategen in eben diesen Firmen, die diese ganzen Prozesse vorbereiten, am Ende aber auch auf der Strecke bleiben, ganz im Sinne des im Buchanfang erwähnten Zitats von Samuel Beckett «Uns braucht man nicht alle Tage.» Doch wem gehört die Zukunft?

Sarkasmus ist in der Realität oft nicht mehr angebracht, im Roman von Dave Eggers ist das meiste Fiktion, auch wenn er die Tragödie eines einst erfolgreichen Fahrradherstellers zur Illustration des totalen, globalen Wettbewerbs hinzuzieht und das erwähnte Grossprojekt in Saudiarabien – King Abdullah’s Economic City KAEC – in der Tat existiert. Alan Clay, die Hauptfigur, ist lange obenauf geschwommen, doch mit fünfzig Jahren ist er nicht mehr der Allerjüngste, trotz viel Erfahrung und einigen Tiefschlägen, die ja auch stark machen können. Die IT-Firma Reliant, mit dem sprechenden Namen, der so alleinstehend nicht existieren kann, sondern nur als «to be reliant on something/somebody» (d.h.  von jemandem abhängig sein, auf jemanden angewiesen sein), ist für die ganze IT-Infrastruktur der künftigen 2-Millionen-Einwohner-Stadt vorgesehen. Ein Vertrag ist noch nicht unterschrieben, das Projekt soll erst vorgestellt werden. Dafür fliegt Alan Clay mit einem Team von drei jungen Leuten nach dem heissen Saudiarabien. Er soll das Geschäft zum Abschluss bringen.

Unterbrochen wird die Erzählung immer wieder durch private Erlebnisse und Ereignisse von Alan Clay: Die katastrophale Ehe mit Ruby, das gute Verhältnis mit seiner Tochter Kit, die Angst, deren Ausbildung nicht mehr zahlen zu können, die 50 000 Dollar das Semester kostet und die Angst, an Krebs zu sterben, weil ein Knoten ihm im Nacken sitzt und den er eines Abends in betrunkenem Zustand mit einem Frühstücksmesser traktiert. Mit Dr. Zahra Hakem, der behandelnden Ärztin, beginnt er eine Affäre. Ganz am Ende des Buches angesiedelt, weiss man jedoch auch hier nicht, wie diese transnationale Affäre weitergeht.

Wie sieht die Zukunft aus?
Und auch die im Ausland bestens ausgebildete saudiarabische Jugend scheint keine Zukunft im eigenen Land zu haben. Alans Taxifahrer Yousef war Student in Amerika kommt im eigenen Land nicht weiter. Sein Vater, der noch ganz dem alten System angehört, traut ihm nichts zu. Doch wem gehört dann die Zukunft? Das wird im ganzen Roman nicht näher ausgeführt. Jedenfalls nicht den Menschen, die im Land wohnen und arbeiten (wollen), und auch nicht den Firmen, die verlässlich sind (nämlich «reliable»). KAEC  soll bis 2020 fertig gebaut sein. Investitionen sind übrigens laut Website noch immer möglich. Und Alan Clay? Er ist ganz der Opportunist des 21. Jahrhunderts und bietet KAEC auch nach der Niederlage gegen die Chinesen seine Dienste an, er arbeite auch mit anderen Firmen zusammen, falls es nicht Reliant ist, die hier doch auch noch zum Zug käme. Eine triste Zukunft also, die hier gemalt wird. Die Büchse der Pandora scheint seit langem geöffnet, so das scheinbare Fazit Eggers.

Titel: Ein Hologramm für den König
Autor: Dave Eggers
Übersetzer: Ulrike Weisel und Klaus Timmermann
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Seiten: 349
Richtpreis: CHF 28.00

Im Netz
www.kiwi-verlag.de
www.kingabdullahcity.com

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